Comoedia de Christi Resurrecione - von Carl Orff

Einführende Worte von Franz R. Miller

Aus der Silbe, aus dem Wort, aus dem Klang der Sprache entwickelt Orff einen - seinen - Musikstil, der nichts gemein hat mit den überkommenen Gesetzen der Melodik und Harmonie. In seinem berühmten „Schulwerk“ finden sich von Anfang bis Ende „Sprechübungen“, in denen sprachliche Laute, Farben, Klänge, Rhythmen zu einer „Wortmusik“ verwoben werden, die einen irisierenden Effekt hervorrufen kann. Da steht am Anfang das leicht hüpfende „Kuckuck, Zizibe, d'Sonn verschluckt und den letzten Schnee“, doch schon klingt es weicher: „Birnbaum, Apfelbaum, Nussbaum, Hollunder“ und wiederum runder: „Grocus, Curicula, primula veris, Frauenschuh, Türkenbund, M-o-h-n!“ Der Klang, die Sprache, Wörter, das ist die Textur, also das Gewebe, die Faserung, aus der bei Orff weitere Töne gewoben werden. Es gibt keine „Textverarbeitung“. Die Klänge, die Töne stehen im Kontext, sind gezupft, getupft, sie klirren, sie stampfen, sie glitzern, sie verweilen, sie vergehen, so „wie Zeit vergeht“. Aber Orff ist kein mystischer Träumer. Der Stoff, der ihn bewegt, bleibt nicht im halboffenen Raum stehen. Er wird gepackt. Er wird nicht nur verwoben, er wird sehr wohl geschoben. Unerbittlich. Hartleibig lässt er den Chor deklamieren, lässt ihm keine Chance zur Pause, gar zur Wehleidigkeit, er skandiert auf einem Ton und wenn er diesen verlässt, dann in kurzen abenteuerlichen Sprüngen. Orffs Musik lebt von der Affinität zum Wort. Doch er ist selbst ein genialischer Wortschöpfer. Dem Altbayerischen hat er wunderlich-wunderschöne Akzente beigefügt. Doch über all dem steht der theatraliker, der Himmel, Erde und Hölle einfängt, die Einfalt der Menschen, den Zwiespalt ihres Seins. Seine Theaterstücke sind nicht nur mit dem zarten Stift der Allegorie gezeichnet; sie malen in starken Farben expressiv das Leid, das Mitleid, den Hohn und den Spott, die Kraft und die Schwachheit. Sie sind nicht intellektuell angesiedelt. Der „liebe Gott“ wird sehr wohl direkt angesprochen. Und der Satan sitzt auf einem Stein, und wartet, dass er den Gottessohn verteufeln kann. Die Dialoge der Wärter sprechen ebenso glasklar wie dialektisch bunt in der Mundart, die ihnen zugegeben ist. Bei Orff ist das ein hinreißendes Bairisch.

Franz R. Miller schrieb diese einleitenden Worte zur Aufführung des orffschen Ostermysterienspiels durch den Kammerchor Calypso e.V., Höchstädt, und Schauspielern der Kolpingbühne Höchstädt.

Die Aufführungen fanden statt am Ostermontag, dem 21. April 2003, im Stadtsaal am Kolpingplatz in Dillingen und am 26. April 2003 in der Aula der Verbandsschule in Höchstädt.